© Diane Lieken

Das Cafe an der Kante: 5 Dörfer, 1 Ort der Begegnung

Es ist Sonntag. Der letzte Sonntag im Monat. Da ist es in Berverath meist etwas belebter, als es die rund 90 verbliebenen Bewohner am Rande des Tagebaus Garzweiler gewohnt sind. Denn heute hat das Cafe Nr 5 geöffnet – ein Ort, der von der Bildungs- und Begegnungsstätte Nell-Breuning-Haus e.V. ins Leben gerufen und als Trägerinstitution verantwortet wird.


Seit April 2025 ist der ehemalige Stall im Schwalbenhof ein Ort der Kompromisse zwischen Vergangenheit und Zukunft. Es ist eine Anlaufstelle für verschiedenste Menschen, die rund 230 Anwohner in den fünf Dörfern Kuckum, Ober- und Unterwestrich, Keyenberg und eben Berverath, aber auch Freunde und Interessierte. Die fünf Dörfer sind namensgebend für das Cafe Nr 5.  

Nach der Entscheidung der Landesregierung NRW, schon 2030 aus der Braunkohleförderung auszusteigen, wurden die fünf Dörfer zwar gerettet, verfielen aber durch den Wegzug vieler Einwohner in eine Art „Dornröschenschlaf“. Das Cafe Nr 5 ist ein Weckruf, ein Ort der Hoffnung, ein Blick nach vorne, ein wichtiger Schritt, die Dörfer wieder lebenswert zu machen. 

„Jeder kann kommen - ausgeschlossen wird hier niemand“, sagt Doro Laumanns vom Schwalbenhof. Doro ist in Berverath geboren, auf dem Hof groß geworden. Sie kümmert sich heute zusammen mit fünf freiwilligen Helfern um das Allgemeinwohl. Und das ist nicht zu „über-riechen“, denn es gibt vegetarische Burger. Bezahlt werden müssen die nicht, aber man freut sich über eine Spende und „wer will, darf auch gerne einen Kuchen backen!“


Vereint für den Erhalt der Dörfer – Patrizia Föhr ist eine von 230

Doro verlässt ihre Position am „Burgerfenster“, denn Patrizia Föhr ist eingetroffen. Die beiden kennen sich seit gefühlten Ewigkeiten. Patrizia ist zwar nicht hier geboren, lebt aber seit über 30 Jahren im Nachbardorf Kuckum und weiß den Austausch hier im Cafe Nr 5 sehr zu schätzen. Als die damals 34-jährige Patrizia mit ihrem Mann Rolf-Dieter hierherzog, war eigentlich schon klar, dass das 500 Seelen-Dorf Kuckum 2027 dem Tagebau weichen sollte. „Das war uns egal. Das war so weit weg – darüber haben wir nicht nachgedacht.“ Patrizia und ihr Mann setzten sich dafür ein, dass Kuckum nicht dem Tagebau weichen muss, sie nahmen an zahlreichen Demonstrationen teil. 

Im Oktober 2022 kam die positive Nachricht: Kuckum bleibt, wird nicht abgebaggert. „Das war irre, Wahnsinn, Freude und Erleichterung: Endlich hatten wir geschafft, wofür wir jahrelang auf die Straße gegangen waren.“ Zu diesem Zeitpunkt waren allerdings schon zwei Drittel der Einwohner umgesiedelt. Patrizia und ihr Mann waren geblieben und kämpften dafür, auch weiterhin bleiben zu dürfen. Ihr Mann hat die gute Nachricht leider nicht mehr erleben dürfen. Er starb 2016. 



Meet and eat – rund 40 Gäste am zweiten Cafe-Wochenende

Wie Patrizia haben alle, die hier in Berverath im Cafe Nr 5 zusammengekommen sind, eine Geschichte zu erzählen. Die Stimmung ist friedlich, gastlich, man kennt sich, es wird viel gelacht – wie bei einem Grillabend unter Freunden. 

Heute – bei der zweiten Veranstaltung namens „Cafe an der Kante“ – sind rund 40 Leute gekommen – doppelt so viele, wie beim ersten Mal. Eine bunt gemischte Gruppe, junge Menschen, Rentnerinnen und Rentner, Familienväter und Mütter mit Kinderwagen. Es fällt auf: überall gibt es Rampen in das Gebäude hinein – nicht nur für die beiden jungen Menschen im Rollstuhl, die heute hier sind. 

„Inklusion ist uns wichtig“, erklärt Timo Uhlmann. Er ist projektverantwortlich für das Cafe, den Internetauftritt, die Veranstaltungen, Flyer – er schafft Sichtbarkeit und sagt: „Inklusion ist mehr als eine Rampe. Wir ermöglichen Menschen im Revier mit Behinderung, bei unseren Veranstaltungen auch die Online-Teilnahme“. Notfalls setzt sich der gelernte Informatiker auch selber ins Auto und holt Besucher zu Hause ab. „Denn der öffentliche Nahverkehr ist nur eine von vielen Baustellen hier in den Dörfern.“ 


Zusammenhalt durch abwechslungsreiche Veranstaltungen

Im Cafe Nr 5 sollen immer wieder Veranstaltungen, Tagungen und Seminare angeboten werden, zu den Themen sozial-ökologische Transformation und Zukunft der Menschen. Es wird aber auch so genannte „niedrigschwellige“ Angebote geben, wie Kunstausstellungen, Filmabende, Bastelworkshops für Insektenhotels, Fahrradtouren oder z.B. einen Moderationsworkshop, in dem die Bewohner u.a. lernen, ihre Interessen einzubringen. Das ganze Projekt wird von der Stiftung Umwelt und Entwicklung Nordrhein-Westfalen mit gut 170.000 Euro gefördert. Stiftungssprecher Frank Giesel, fasste jüngst in einem Interview zusammen: „Den Leuten hier hat der Strukturwandel schon jetzt viel abverlangt. Transformation braucht nicht nur die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger, sondern auch deren Mitwirkung“.



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