Personen im Wald
©Jessica Schmitz, Gemeinde Simmerath

Windkraft als Steuersenker

22. April 2025

Zufriedene Bürgerinnen und Bürger, wachsende Wirtschaft und eine überdurchschnittliche Ökobilanz – Simmerath in der Städteregion Aachen hat in den letzten Jahren vieles richtiggemacht. Hier profitiert die gesamte Gemeinde von den Erträgen eines „echten“ Bürgerwindparks.          

„Wir haben das große Glück, eine der windreichsten Regionen Deutschlands auf dem Festland zu sein“, sagt Simmeraths Bürgermeister Bernd Goffart. Die natürlichen Ressourcen sind das eine, doch die Gemeinde weiß sie auch zu nutzen: 22 Windräder erzeugen auf dem 111 Quadratkilometer großen Gemeindegebiet grünen Strom, weitere Anlagen sind in Planung. 2022 wurden 187 Prozent des eigenen Strombedarfs regenerativ produziert. Eine weitere Besonderheit: „Unser Bürger-windpark in Lammersdorf ist ein echter Bürgerwindpark, weil alle Bürgerinnen und Bürger profitieren“, so Goffart. Mit ihm erzielt die Gemeinde Einnahmen durch die Verpachtung der gemeindeeigenen Flächen. Zudem ist sie am Gewinn der Anlage beteiligt, erhält zusätzlich 0,2 Cent pro produzierter Kilowattstunde Strom und nimmt Gewerbesteuer durch den Windpark ein. 

Ausbau der Windkraft macht sich bezahlt

Der Ausbau der Windkraft wird in Simmerath seit Jahrzehnten vorangetrieben. Das macht sich jetzt im wahrsten Sinne des Wortes bezahlt. „Wegen der Millioneneinnahmen durch Windkraft braucht die Gemeinde nicht mehr so viel Geld von den Bürgerinnen und Bürgern über Steuern einnehmen“ erklärt Goffart. „Auch deshalb sind alle Steuern wie Grundsteuer A und B, Gewerbesteuer und Hundesteuer die niedrigsten in unserer Region. Jeder der rund 16.500 Bürgerinnen und Bürger wird also direkt entlastet.“ Der Grundsteuerhebesatz ist dank der Windkraft nur halb so hoch, wie in einigen umliegenden Kommunen, ähnliches gilt für die Gewerbesteuer. Das hat dazu geführt, dass sich inzwischen mehr Gewerbebetriebe in der Gemeinde angesiedelt haben, darunter auch energieintensive Betriebe, wie eine Gießerei und eine Druckerei. Trotzdem kann weiterhin Strom exportiert werden.

Mit Einnahmen in die Infrastruktur investiert

Viele ländliche Kommunen verzeichnen zunehmende Leerstände bei Geschäften und kämpfen mit einem stetigen Bevölkerungsrückgang. In Simmerath ist das nicht der  Fall: Die Gemeinde in der Rureifel ist für viele junge Familien attraktiv, denn sie hat mit den Einnahmen aus der Windkraft auch in die Infrastruktur investiert. In den letzten Jahren baute Simmerath eine neue Schwimmhalle, legte vier Kunstrasenplätze an, errichtete für die Grundschulen eigenständige Räume für den Ganztagsbetrieb und stattete diese auch kindergerecht aus. In den meisten anderen Gemeinden findet der Ganztag in den Schulräumen statt.

Windkraft wird seit über 20 Jahren verfolgt

Bereits in den 1990er Jahren gab es in Simmerath Initiativen, die sich vor dem Hintergrund des sich abzeichnenden Klimawandels für Windkraft einsetzten. Eine erste 50 KW-Anlage entstand. In Lammersdorf wurde  in einem landwirtschaftlichen Betrieb eine 500 KW-Anlage errichtet. Unter Hubert Breuer, dem ersten hauptamtlichen Bürgermeister, begann 2000 die Planung für den Windpark bei Strauch mit sieben Windkraftanlagen mit je zwei Megawatt Leistung. Nach der Fertigstellung 2004 informierte die Gemeinde gemeinsam mit dem Projektpartner Enercon über eine Beteiligungsmöglichkeit an dem Windpark, die Mindesteinlage betrug 2.500 Euro. Rund 100 Bürgerinnen und Bürger beteiligten sich an dem Windpark, der in den letzten 20 Jahren etwa 20 Millionen Kilowattstunden Energie pro Jahr erzeugte. 

Mit dem Windenergieerlass ist es seit 2011 in Nordrhein-Westfalen möglich, Windräder auch in Nutzwaldgebieten aufzustellen. Das sind solche Flächen, auf denen Holz für die Papier- oder Möbelproduktion angebaut wird. In Simmerath gibt es zahlreiche solcher Flächen und schnell entstand die Idee eines Windparks im Simmerather Wald. Gemeinsam mit der Stawag Energie GmbH wurden die sieben Anlagen mit einer Leistung von 23,1 Megawatt errichtet. 2016 gingen die Anlagen in Betrieb. 2024 wurden zwei weitere Anlagen im Lammersdorfer Wald errichtet. Die Gesamthöhe der neuen Anlagen beträgt 200 Meter, der Rotordurchmesser liegt bei 150 Meter. Die beiden Vestas-Anlagen haben eine Leistung von insgesamt 11,2 Megawatt (zwei Mal 5,6 MW) und werden jährlich rund 29 Millionen Kilowattstunden grünen Strom produzieren. Damit sparen sie im Vergleich zur konventionellen Erzeugung rund 22.000 Tonnen CO2 ein. Und die Gemeinde profitiert durch Pacht-einnahmen, Gewerbesteuer, Gewinnbeteiligung und 0,2 Cent pro Kilowattstunde.

Offene und ehrliche Kommunikation

Natürlich gab es auch in Simmerath Bedenken gegen die Windkraftanlagen, wegen des Schattenwurfs, der Lautstärke und auch aus Naturschutzgründen. „Wir versuchen die Bürgerinnen und Bürger bei den Entscheidungen mitzunehmen und transparent zu handeln“, sagt Bürgermeister Goffart. „Wir sind ehrlich in der Kommunikation, reden nichts schön und verheimlichen nichts, wir respektieren Bedenken und versuchen auf Bedenken so gut wie möglich einzugehen.“ Sein Eindruck: In der Bevölkerung habe man es verstanden, dass alle finanziell von den Einnahmen profitieren, die die Gemeinde durch die Windkraft generiert.

Besuch vom Bundeskanzler

Sogar auf die Bundespolitik hat der kontinuierliche Ausbau der Windkraft und vor allem der „echte“ Bürgerwindpark mit seiner herausragenden Klimabilanz und der allgemeinen Akzeptanz Eindruck gemacht. Auf seiner Sommertour 2023 besuchte Bundeskanzler Olaf Scholz gemeinsam mit NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst den Lammersdorfer Wald. Die Politiker ließen sich die erfolgreichen Windkraftanlagen vor Ort zeigen und waren voll des Lobes für die Energiepolitik der rund 16.500 Einwohnerinnen und Einwohner großen Gemeinde.

Mitglied des Gigawattpakts

Simmerath ist Mitglied des Gigawattpakts und trägt mit seinen Windenergieanlagen dazu bei, dass mehr Strom aus Erneuerbaren Energien erzeugt wird. Der Gigawattpakt ist ein Bündnis aus rund 60 Landkreisen, Kommunen und energiewirtschaftlichen Unternehmen, die den Ausbau der Erneuerbaren Energien im Rheinischen Revier beschleunigen wollen. Dazu haben sie im März 2022 den Gigawattpakt mit der Landesregierung geschlossen. Das Ziel: Bis 2028 die Stromerzeugung im Revier auf mindestens fünf Gigawatt zu steigern. 

Neue Partnerinnen und Partner sind jederzeit herzlich willkommen. Die NRW-Landesregierung un-terstützt das Vorhaben, stellt Fördermittel bereit und optimiert die Vorschriften. Bis 2028 stehen bis zu 60 Millionen Euro für den Ausbau der Erneuerbaren Energien zur Verfügung. So soll die Energiewende im Rheinischen Revier vorangetrieben und der Ausstoß von klimaschädlichem CO2 reduziert werden.

 

Weiterführende Links

Gemeinde Simmerath - Windkraft

Bundesregierung: Kanzler besucht Windpark in NRW

BMWK: Praxisbeispiel kommunaler Windpark Simmerath

Förderung des Strukturwandels im Rheinischen Revier (Bezirksregierung Köln)

 

Übersicht Gigawattpakt